In den vergangenen fünf Jahren mussten Unternehmenschefs eine Menge Schocks und Krisen verkraften. Die vielen falschen Alarme und Prognosen machen die Situation nicht besser. Als es 2020 durch die Coronapandemie zu einer starken Rezession kam, hieß es, die Lage werde mindestens so bedenklich wie zu Zeiten der Finanzkrise 2008. Möglicherweise sogar so schlimm wie während der Weltwirtschaftskrise 1929. Allen Unkenrufen zum Trotz erholte sich die Wirtschaft rasch und umfänglich.
Für Philipp Carlsson-Szlezak und Paul Swartz sind derlei Fehlprognosen Grund, sich eingehender mit makroökonomischen Modellen und Prognosen auseinanderzusetzen. Beide sind ausgewiesene Experten für volkswirtschaftliche Zusammenhänge: Carlsson-Szlezak ist Chefökonom der weltweit tätigen Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) und leitet das Center for Macroeconomics am BCG Henderson Institute, BCGs internem Thinktank. Paul Swartz ist dort Senior Economist und Executive Director.
In ihrem Stück
„So lernen Sie, makroökonomische Risiken einzuschätzen“ (HBm+)
, das gerade in der aktuellen Ausgabe des Harvard Business managers erschienen ist, beschreiben die beiden nicht nur viele weitere Prognosefehler, sondern auch, wie es dazu kommt. Vor allem aber, was Führungskräfte tun können, um sich unabhängiger vom Urteil vermeintlicher Experten zu machen. Dazu müssen sie zunächst einmal lernen, makroökonomische Risiken zu verstehen. Gemeint sind damit potenzielle negative und positive Veränderungen in konjunktureller wie in struktureller Hinsicht. „Der Schlüssel dazu ist ein Ansatz, der situative Flexibilität über theoretische Genauigkeit stellt, rationalen Optimismus über Schwarzmalerei und persönliches Urteilsvermögen über statistische Prognosen“, so die beiden Fachleute. Wie das funktioniert?
Die Experten raten zu folgendem Vorgehen:
1. Hören Sie auf, an das eine überlegene Modell zu glauben
Warum? Weil keine Theorie und kein Ansatz über längere Zeit präzise ökonomische Vorhersagen treffen können. „Makroökonomische Modelle sind unzuverlässig, weil volkswirtschaftliche Zusammenhänge kontextabhängig sind und sich auf kleine Stichprobengrößen beziehen“, so Carlsson-Szlezak und Swartz. Jede Rezession in den Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg sei das Ergebnis eines äußerst spezifischen Zusammenspiels von Faktoren – und insgesamt gab es lediglich zwölf Rezessionen. „Schon deshalb sind die wissenschaftlich anmutenden Modelle zur Prognose von Rezessionen oft hochgradig unwissenschaftlich“, urteilen die beiden.
2. Geben Sie nicht so viel auf Schwarzmalerei
CEOs und andere Topmanagerinnen Topmanager sind beinahe täglich einer Flut von Schreckensmeldungen ausgesetzt. Kein Wunder, denn Katastrophen verkaufen sich gut. Die größte Bühne bekommen nach Einschätzung unserer Autoren vor allem Pessimisten. Und zwar jene, die zwar unwahrscheinliche, aber grundsätzlich vorstellbare Risiken selbstsicher als hochwahrscheinlich darstellen.
Sich der Sogkraft von Negativschlagzeilen zu entziehen, sei schwer, so die Experten. Es helfe aber bereits, sich beim Lesen von Horrormeldungen die Frage zu stellen, wer eigentlich welche Agenda verfolge. Bei der schnelleren Einordnung leiste folgende Frage gute Dienste: Was muss geschehen, damit diese Situation tatsächlich eintritt?
3. Ziehen Sie unterschiedliche Quellen zurate
Carlsson-Szlezak und Swartz sind überzeugt: Um volkswirtschaftliche Risiken besser beurteilen zu können, müssen Chefs und Chefinnen ein situationsbewusstes Mindset entwickeln, das sich auf Kausalzusammenhänge und kohärente Narrative stützt. „Dabei sollten sie sich nicht ausschließlich auf die Expertise von Ökonominnen und Ökonomen verlassen, sondern auch angrenzende (und völlig fremde) Disziplinen und Methoden einbeziehen.“ Manchmal, so die beiden, sind Frameworks bei der Risikobeurteilung hilfreich, manchmal historische Ereignisse. Auch Narrative dazu, wie das System funktioniert, seien wichtig und könnten helfen, gewagte Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
Und wenn Führungskräfte erst einmal verstanden hätten, dass der Makroökonomie die analytische Eleganz der Physik fehle, können sie mit gutem Gewissen vielfältigere Sichtweisen und Methoden berücksichtigen. Anders gesagt: „Die Makroökonomie ist kein Solist; sie funktioniert besser als Teil einer Band“, so die Experten von BCG.
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Herzliche Grüße Christiane Sommer
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