Wenn ich davon erzähle oder schreibe, dass ich bei einem Event oder einer selbst gewählten Tour durch die Nacht gefahren bin, gibt es regelmäßig Fragen und Kommentare: „Wie machst du das?“ und „Wirst du nicht müde?“ oder „Das wäre mir unheimlich.“
Mir war am Anfang auch etwas unwohl bei dem Gedanken, aber irgendwann war die Neugier und Lust auf lange Strecken, die eine Fahrt durch die Nacht erfordern, stärker. Und ich habe schnell gemerkt: Nachts zu fahren, hat einen ganz eigenen Reiz. Der Verkehr flaut ab, jeder Geruch und jede Temperaturschwankung scheinen intensiver. Man ist unterwegs in einer Umgebung, die im Dunkeln verborgen liegt, und doch zu Hause im Lichtkegel der eigenen Lampe. Sicher, die Nachtfahrt fordert ihren Tribut in Form von Müdigkeit am nächsten Tag. Aber um nichts auf der Welt möchte ich auf die Touren verzichten.
Das richtige Licht
Zum Thema Beleuchtung und Sichtbarkeit hat mein Kolumnenkollege Ulrich Bartholmös Ihnen die wichtigsten Infos hier zusammengestellt. Für eine Fahrt durch die komplette Nacht möchte ich zwei Punkte ergänzen.
Erstens lohnt es sich zu überprüfen, ob die Leuchtdauer der Lampen für eine komplette Nacht ausgelegt ist. Wenn nicht: Kann ich den Akku oder die Batterie unterwegs wechseln oder die Lampe im Betrieb laden? Welche Kabel und Stromspeicher brauche ich dazu und wie verstaue ich diese? Zu berücksichtigen ist, dass man Licht oft schon bei leichter Dämmerung einschaltet, um von anderen Verkehrsteilnehmer*innen gesehen zu werden. Damit sind sie länger in Betrieb als nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang und verbrauchen entsprechend mehr Strom.
Zum anderen habe ich für eine volle Nacht immer ein Beleuchtungs-Back-up dabei. Neben einer Frontlampe, die am Rad montiert ist, sind Helm- oder Stirnlampen ein gängiges zweites Licht (bei Letzterer prüfen, ob sie unter den Helm passt). Vorteil: die Richtung des Lichts lässt sich unabhängig von der Fahrtrichtung steuern. So hat man eine bessere Kontrolle über den ausgeleuchteten Bereich. Das ist auch relevant bei einer Panne oder sonstigem Halt, der nicht ausschließlich im Lichtkegel der Frontlampe stattfinden soll. Als Rücklicht habe ich gleich zwei kleine Stecklichter mit minimalem Gewicht am Rad und bin damit „ausfallsicher“.
Im Dunkeln unterwegs: Eva Ullrich hat für ihre Nachttouren immer ausreichend Reservebeleuchtung dabei
Harald Legner
Bekleidung und Verpflegung
Jede und jeder empfindet die Temperatur bei so einer Fahrt unterschiedlich. Um einschätzen zu können, welche Bekleidung ich grundsätzlich brauche, schaue ich auf die gemeldeten Temperaturen für Ortschaften auf meiner Strecke und ziehe für die Gegend dazwischen drei Grad ab. In der Nähe von Wasser ist es meist kälter, Flussradwege habe ich nachts als weit weniger gemütlich erlebt.
Zum frühen Morgen hin werde ich müde und friere leichter. Dafür habe ich gern eine wärmende Schicht dabei, zumindest für den „Kernkörper“. Im Hochsommer reicht mir dafür die Regenjacke, sonst ist es ein Langarmtrikot oder eine leichte, zusammenfaltbare Daunenjacke. Letztere ist auch hilfreich bei unfreiwilligen Stopps. Sobald die Temperaturen in den einstelligen Bereich sinken, packe ich zusätzlich Langfingerhandschuhe, Schlauchtuch und eine Mütze, die unter den Helm passt, ein.
Wichtig auch die passende Verpflegung. In der Dunkelheit habe ich weniger Gespür für die Zeit, die ich auf dem Rad verbringe. Aber man verbraucht genauso Energie, muss sich gemäß der zurückgelegten Strecke verpflegen und entsprechende Mengen von Kalorien dabeihaben. Möglicherweise ist Ihr Appetit nachts anders, das finden Sie dann aber erst bei Ihrer ersten Tour heraus. Für mich sind Bananen und Kinderschokolade eine unschlagbare Kombination für den frühen Morgen, wenn sich der Magen flau anfühlt.
Die einen scheinen niemals müde zu werden, die anderen gähnen, sobald es dunkel wird. Zu welchem Typus man gehört, lässt sich meiner Erfahrung nach am besten durch Ausprobieren herausfinden. Gegen aufkommende Müdigkeit helfen 20 bis 30 Minuten Powernapping auf einer Parkbank. Eine Rettungsdecke oder die oben erwähnte klein faltbare Daunenjacke halten dabei warm.
Mich macht komplette Dunkelheit schläfriger, als wenn ein Vollmond die Nacht erhellt oder ich durch eine Region mit viel Beleuchtung fahre. Wenn ich die Strecke selbst plane, kann ich mich danach richten. Für die Zeit zwischen Mitternacht und 3 Uhr plane ich gern einen Punkt ein, an dem ich Wasser oder einen Kaffee bekomme (idealerweise eine Tankstelle, die rund um die Uhr geöffnet hat). Eine andere Variante ist, sich eine Route mit Ausstiegsmöglichkeiten zu suchen, etwa einen Bahnhof auf halber Strecke.
Gegen die Hürde, ins Dunkle zu fahren
Ich habe zu Anfang auf bekannten Wegen „geübt“. So konnte ich auf vertrautem Terrain herausfinden, wie es sich überhaupt anfühlt, in der Nacht unterwegs zu sein. Als es erst einmal dunkel war, merkte ich, dass da nichts Schlimmes lauerte. Mein Widerwillen verschwand, und ich konnte mich auf die besondere Stimmung einlassen.
Wenn Sie es sich allein nicht vorstellen können, unternehmen Sie die Tour zusammen mit anderen. Immer mehr Veranstalter bieten Gruppennachtfahrten zu attraktiven Zielen an. Hier ist zu beachten, dass das Fahren zu mehreren besondere Konzentration erfordert, vor allem wenn man sich nicht kennt.
Wofür Sie sich auch entscheiden – haben Sie eine wunderbare Fahrt. Es lohnt sich, versprochen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende,
Ihre Eva Ullrich
PS: Sind Sie hin und wieder mit dem Rad in der Nacht unterwegs, und Sie haben einen hilfreichen Tipp? Schreiben Sie mir – ich freue mich, von Ihnen zu hören.
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