Ich fand die ersten nasskalten Trainingstage im Herbst in meiner aktiven Zeit als Profi immer wieder schrecklich: Man steht rätselnd vor dem Kleiderschrank, sucht die hinter den Sommertrikots versteckte Winterjacke und verflucht den viel zu kurzen Sommer. Training im Winter erfordert Umstellung. Denn Straßenfahrten
bei Nieselregen und Dunkelheit oder Schnee und Eis sind nicht nur wenig einladend, sondern bergen auch Risiken.
Doch das muss nicht das Ende des Trainings bedeuten. Ein absoluter Gamechanger der letzten Jahre für den Winter, vor allem seit der Coronapandemie, sind Rollentrainer und Onlineplattformen wie Zwift, wie sie Eva Ullrich in der vergangenen Ausgabe beschrieben hat
. Aber die kalte Jahreszeit lässt sich auch ideal für alternative Sportarten nutzen. Die sorgen für Abwechslung, ergänzen gezielt das Rennradtraining und halten fit für die kommende Saison.
Auch im Profitraining sind alternative Sportarten heute viel stärker integriert. Durch die vielen Quereinsteiger wie den Wintersportler Anton Palzer (31) hat sich die Akzeptanz für andere Trainingsformen unter den Radlern weiter etabliert.
Diese Sportarten eignen sich besonders für Radsportler:
Der Klassiker: Laufen
Die wohl gängigste Alternative ist das Laufen. Es ist simpel und erfordert wenig Equipment. Ausdauer und Herz-Kreislauf-System lassen sich durch Joggen oder Trailrunning ideal trainieren. Besonders Intervallläufe und längere, langsame Ausdauerläufe eignen sich als Grundlagentraining für Radsportler.
Offroad mit dem Bike
Wenn Sie einen gewissen Abenteuerfaktor brauchen, dann sind Offroadtouren auf dem Cross-, Gravel- oder Mountainbike durch den Wald gute Alternativen. Gegenüber dem Rennrad ist man dort mehr vor Wind und Schnee geschützt und fährt langsamer, weshalb der Körper wärmer bleibt. Mit ein paar schönen Trails und eventuell sogar etwas Neuschnee macht das einen Riesenspaß! Man darf sich selbst nur nicht überschätzen.
Core- und Funktionstraining mit Planks
Auch das funktionale Training gehört im Profiradsport zur ganzjährigen Basisarbeit. Core-Training stärkt die Rumpfmuskulatur, funktionale Übungen fördern Balance und Beweglichkeit. Ein guter Core verbessert die eigene Haltung auf dem Rad und verhindert Schmerzen im unteren Rücken oder Nacken. Übungen wie Planks, Liegestütze, Russian Twists und Beinheben lassen sich leicht in das Training integrieren – auch im heimischen Wohnzimmer. Stretchen nicht vergessen!
Langlauf und Alpinski
Für viele Radsportler mag Skifahren eine ungewohnte Alternative sein. Aber gerade Langlauf trainiert Kraft und Ausdauer und schont dabei die Gelenke. Ich bin in meiner Nachwuchszeit sehr viel im Thüringer Wald auf Skating-Skiern unterwegs gewesen! Auch Alpinski ist gut für die Beine und Koordination. Nur bleibt hier das höhere Verletzungsrisiko. Für Radprofis ist diese Alternative deshalb oft sogar vertraglich ausgeschlossen.
Kniebeugen, Kreuzheben und Beinpressen im Fitnessstudio
Im Fitnessstudio lassen sich gezielt Muskeln trainieren und aufbauen, die oft vernachlässigt werden, etwa die Rumpf- und Rückenmuskulatur. Besonders für fortgeschrittene Fahrer und Wettkampfathleten ist Krafttraining zur Verletzungsprävention und Leistungserhöhung unerlässlich. Kniebeugen, Kreuzheben und Beinpressen sind ideale Übungen, um Bein- und Körpermuskulatur gleichzeitig zu stärken.
Hallenfußball und Teamsportarten
Ebenfalls problemlos auch am Abend möglich: Hallenfußball und andere Ballsportarten wie Basketball oder Volleyball. Damit trainieren Sie Reaktionsvermögen, Koordination und Schnelligkeit. Und natürlich den Teamgeist.
Schwimmen
Ein sanftes Ausdauertraining, das den gesamten Körper beansprucht und den Radsport ideal ergänzt, ist Schwimmen. Es fördert die Atmung, das Herz-Kreislauf-System und stärkt die Schultermuskulatur, die für eine stabile Fahrhaltung wichtig ist.
Die richtige Planung
Während Anfänger und Hobbysportler bei den alternativen Sportarten wenig falsch machen können, sollten ambitionierte Athleten dagegen auf die richtigen Alternativen zur richtigen Zeit setzen. Der Anteil der alternativen Trainingsformen darf bei Wettkampffahrern nach der Saisonpause gern höher sein, sollte dann aber ab Januar Richtung Frühjahr wieder spezifisch werden.
Die Profis gehen vor allem bis zum ersten Trainingslager im Dezember, also gut acht Wochen, laufen, langlaufen oder zum Hallenfußball. Der Radfahranteil bleibt aber auch in dieser Zeit hoch und wird dann Richtung Saisonstart im Februar mit Intervallen noch mal intensiviert, um die Grundlage für die kommende Wettkampfsaison aufzubauen.
In meiner aktiven Zeit als Profi war das Kraft- und Radtraining im Winter immer zentraler Bestandteil meines Wochenprogramms. Nebenbei bin ich laufen oder skilanglaufen gegangen oder Mountainbike gefahren. Für die Arbeit im Fitnessstudio habe ich für die kalte Jahreszeit einen wesentlich ausführlicheren Übungsplan von meinem Trainer bekommen als im Sommer. Dabei lag der Fokus mehr auf Maximalkraft, also weniger Wiederholungen mit mehr Gewicht, um die Muskeln mehr zu entwickeln. Als Berufssportler muss ich aber auch zugeben: Für die harten Wintermonate Dezember, Januar und Februar bin ich häufig nach Spanien
geflüchtet.
Falls das mit Ihrem Job oder aus anderen Gründen gerade keine Option ist, versuchen Sie es doch mal mit den alternativen Trainingsformen. Nutzen Sie die Off-Season, um Muskeln zu stärken, die im Sommer oft zu kurz kommen!
Viel Spaß dabei!
Ihr Marcel Kittel
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