Wenn ich an meine ersten Radjahre zurückdenke, dann war mein Verhältnis zur Fahrradpflege – sagen wir – pragmatisch. Nach der Fahrt wurde das Rad abgestellt, höchstens mal die Kette geölt, und das war’s. Schmutz gehört zum Sport, und ehrlich gesagt: Ein bisschen Dreck am Rahmen hatte fast etwas Ehrenhaftes.
Das bisschen Dreck: Nach der Tour sollte die Radpflege zum festen Programm gehören
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Heute sehe ich das anders. Nicht aus Perfektionismus, sondern aus Erfahrung. Wer viel fährt, weiß: Nässe, Salz und Dreck sind der natürliche Feind eines jeden Rades – und das nicht nur für den Lack, sondern vor allem für Lager, Antrieb und Bremsen. Gerade im Herbst und Winter entscheidet die richtige Pflege darüber, ob Ihr Rad viele Jahre zuverlässig läuft oder im Frühjahr mit einem kräftigen Knarzen nach Reparaturen ruft. Und Sie dann Hunderte Euro in Ersatzteile stecken müssen, obwohl das Rad doch erst ein Jahr alt ist.
Lassen Sie mich ein paar Gedanken und Erfahrungen teilen, die mir über die Jahre geholfen haben, meine Räder gut durch die nasse Jahreszeit zu bringen.
Vorsicht mit dem Hochdruckreiniger
Wenn ich nach einer Ausfahrt bei Nieselregen und 4 Grad oder matschiger Gravel-Runde nach Hause komme, ist die Versuchung groß, das Rad einfach in die Ecke zu stellen. Aber wer den Schmutz gleich entfernt, spart sich später Ärger. Trocknet Schlamm erst ein, wirkt er wie Schleifpapier auf Rahmen und Lager. Ich versuche deshalb, das Rad immer noch direkt nach der Ausfahrt kurz zu reinigen.
Der Hochdruckreiniger an der Tankstelle auf dem Nachhauseweg ist dafür verlockend. Schnell, effizient – und scheinbar perfekt für das, was sich nach einer matschigen Tour auf Rahmen und Reifen sammelt. Doch hier ist Vorsicht geboten. Der harte Wasserstrahl kann Dichtungen beschädigen und Fett aus den Lagern spülen. Ich bin kein militanter Gegner von Hochdruckreinigern und nutze sie selbst offen gestanden sehr gern, aber es ist Vorsicht angesagt. Wer ihn nutzt, sollte den Strahl nie direkt auf Naben, Tretlager oder Steuerrohr richten, sondern mit Abstand und in flachem Winkel arbeiten. Für die meisten Fälle reicht jedoch ein Eimer mit warmem Seifenwasser, ein Schwamm oder ein weiches Tuch völlig aus.
Ein einfacher Gartenschlauch oder eine Gießkanne sind oft die bessere Wahl – sanft, aber effektiv. Wichtig ist nur, dass der grobe Dreck gelöst wird, bevor er eingetrocknet ist.
Richtig abtrocknen
Wenn das Rad wieder sauber ist, beginnt der entscheidende Teil: das Trocknen und Pflegen. Ich wische das Fahrrad grob ab und lasse es ein paar Minuten stehen, am besten draußen oder auf einem alten Handtuch. Mit einer kleinen Luftpumpe oder einem Druckluftspray kann man Wasser aus Ecken und Spalten pusten.
Danach gehe ich die typischen Problemzonen durch:
Schnellspanner und Steckachsen leicht fetten.
Kette trocknen, entfetten und neu schmieren.
Bremsflächen (Felge oder Scheibe) mit Alkohol abwischen.
Rahmen mit einem weichen Tuch und etwas Silikonpfleger behandeln – das schützt den Lack und lässt Schmutz beim nächsten Mal schlechter haften.
Der Dreck muss runter von der Kette
Die meiste Arbeit braucht der Antrieb. Ich habe gelernt: Eine saubere Kette ist kein Schönheitsdetail, sondern der Garant für Effizienz und Langlebigkeit. Nach einer nassen Tour reicht es nicht, einfach Öl aufzutragen – der Dreck muss runter. Ich reinige die Kette mit einem speziellen Reiniger oder notfalls mit etwas Alkohol auf einem Lappen, bevor ich sie neu schmiere.
Gerade in der kalten Jahreszeit lohnt es sich, die Kette regelmäßig zu kontrollieren. Oft ist nach zwei, drei Regenfahrten schon wieder Zeit zum Nachölen. Und wer noch einen Schritt weitergehen will, kann im Winter überlegen, die Kette komplett zu entfetten und mit Wachs zu behandeln – eine saubere, leise und langlebige Lösung, wie ich in einem meiner
früheren Experimente festgestellt habe.
Der richtige Schutz
Es gibt ein paar einfache Dinge, die Ihr Rad im Winter enorm schützen und entlasten:
Schutzbleche – ja, sie ruinieren vielleicht etwas die Optik, aber sie halten Rahmen, Lager und Trikot trocken.
Rahmenschutzfolien verhindern Lackschäden durch Streusalz.
Ein Korrosionsschutzspray nach dem Waschen bildet einen leichten Film, der Metallteile schützt.
Und wer regelmäßig auf nassen, salzigen Straßen fährt, sollte Sattelstütze, Schraubverbindungen und Pedalgewinde gelegentlich fetten – dort setzt sich Korrosion besonders gern fest.
Jahresende = Servicezeit
Wenn die Tage kurz sind und die Motivation zum Fahren sinkt, nutze ich die Gelegenheit für einen gründlichen Service. Entweder in der Werkstatt oder selbst, je nachdem, wie viel man sich zutraut.
Tretlager, Steuerrohr, Naben: Wer diese Lager einmal im Jahr öffnet, reinigt und neu fettet, wird mit einer deutlich längeren Lebensdauer belohnt. Und wer lieber Fachleute ranlässt – ein Winterservice ist schnell gemacht und kostet weniger, als man denkt. Ich sehe das als Investition, nicht als Ausgabe.
Ich gebe zu: Früher habe ich das Putzen gehasst. Heute empfinde ich es fast als meditativ. Nach einer langen, nassen Tour mit klammen Fingern und müden Beinen das Rad zu reinigen, hat etwas Befreiendes. Wenn der Rahmen wieder glänzt, die Kette leise läuft und alles in Ordnung ist, fühlt sich das an wie ein kleiner Neustart.
Und wenn ich das Licht in der Garage ausschalte, das saubere Rad noch einmal anschaue und weiß, dass morgen früh alles bereit ist – dann hat das fast den gleichen Reiz wie die erste Ausfahrt im Frühling.
Also: Eimer raus, Schwamm in die Hand – und ran an den Dreck. Ihr Rad wird es Ihnen danken.
In diesem Sinne – bleiben Sie sauber unterwegs!
Ihr Ulrich Bartholmös
PS: Was sind Ihre Erfahrungen? Haben Sie Tipps? Hier erreichen Sie mich per E-Mail – ich freue mich auf den Austausch.
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