Der wöchentliche Newsletter für erfolgreiche Führungskräfte
Antonia Götsch
Liebe
Leserin, lieber Leser.
Ich habe dieses Jahr viele beeindruckende Reden und Diskussionen erlebt – von weltbekannten Wissenschaftlern, Topmanagerinnen und Spitzensportlern. Aber die beste Rede 2025 habe ich auf einem Friedhof gehört.
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Nate, die Mutter meiner Schulfreundin, hat ihre „letzte Rede“ selbst geschrieben, mehr als 25 Jahre vor ihrem Tod. Sie hat das Dokument immer wieder ergänzt und überarbeitet.
„Seid nicht traurig“, gab sie uns mit. „Ich hatte ein tolles Leben.“ Sie erzählte von der Geburt ihrer Tochter, die in der Tragetasche mit in die Kneipe kam. Der schönen Zeit mit ihren Enkeln: Basteln, Kuscheln, Comics und Münzen ansehen, Lego fummeln. Wenn sie wieder zu Hause waren, habe sie die benutzten Legosteine wegsortiert. „Das habe ich geliebt.“
Ein Trauerredner hätte vielleicht Nates Beruf in den Vordergrund gestellt, ihr politisches Engagement oder einen anderen großen Bogen gesucht. Aber Nate wob die vielen kleinen Augenblicke zusammen, aus denen für sie das Glück bestanden hatte. Briefmarken, Schnecken, Leuchttürme und Kronkorken sammeln. Reisen, Fotografieren und Geocaching mit Freunden. Sie beschrieb, wie sich manches einfach ergeben und sie dann erfüllt hatte. „Als Kind wollte ich Schaufensterdekorateurin oder Verkäuferin werden”, berichtete sie. „Tante Anni hatte Verwandte, die eine Apotheke hatten. Apotheke hat ja auch was mit Verkaufen zu tun. Im Studium habe ich dann nette Leute kennengelernt.“
Nate hatte ein tolles Leben, weil sie die kleinen Augenblicke suchte und allen Abbiegungen und Umwegen mit einer Haltung begegnete, die uns abgeht, wenn wir auf LinkedIn unsere geradlinigen Karrieren, Bucket-List-Ziele und „beruflichen Milestones“ feiern. Manchmal kommt es anders, als wir uns gedacht, gewünscht und erträumt haben. Und dieser Weg wird dann unerwartet gut.
Der Sinn des Lebens liegt oft nur eine Armeslänge entfernt, wenn wir die Zeit vergessen beim Kronkorken ordnen oder die Gegenwart unserer Freunde spüren. Sinn entsteht nicht im „dahin“, sondern im „dazwischen“, in der Beziehung zwischen uns und anderen. Nate hat es noch besser formuliert für ihre Freunde und Familie: „Es war sehr schön, mit euch auf der Welt zu sein.“
Ich wünsche Ihnen einen Jahreswechsel, der Ihr Herz erfreut, und einen guten Start ins neue Jahr.
Herzliche Grüße
Antonia Götsch Chefredakteurin Harvard Business manager
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